Über die Frage, wie es trotz zunehmender Individualisierungstendenzen heutzutage gelingen kann, junge Menschen für kommunales Engagement zu gewinnen, haben wir mit Leah Bartsch (20, Studentin) vom Team der Jugendorganisation YouthHansa Brilon gesprochen. Sie gewährt uns interessante Einblicke in die Jugendpartnerschaftsarbeit der Stadt und gibt hilfreiche Tipps, wie Partnerschaftsformate verjüngt werden können
In der Beratungsarbeit der Kontaktstelle CERV erreichen uns viele Fragen zum Thema Nachwuchsgewinnung im Rahmen kommunaler Partnerschaften. Um Partnerschaftsarbeit zukunftsfähig aufzustellen braucht es neben finanziellen und personellen Ressourcen vor allem auch das Engagement und die Einbindung der jüngeren Generation. Dabei spielt der gesellschaftliche Auftrag und die öffentliche Wahrnehmung von Partnerschaftsarbeit sowie der Zugang zu ihr eine entscheidende Rolle. Um neue, insbesondere jüngere Zielgruppen für Partnerschaftsformate zu gewinnen bedarf es daher meist immer erst einer kritischen Auseinandersetzung mit den internen Strukturen.
Denkt man Partnerschaftsarbeit zuallererst in einem gesellschaftspolitischen Kontext, schaffen kommunale Partnerschaften als formalisierte Einrichtung vielfältige Partizipationsangebote am demokratischen Leben, bei denen die persönliche Begegnung und das gemeinsame Erleben von Aktivitäten nach wie vor im Mittelpunkt stehen.
Zeitgemäße Partnerschaftsarbeit vermag durch das Zusammendenken von Jugendarbeit und zivilgesellschaftlichem Engagement nicht nur den eigenen Nachwuchssorgen, sondern auch politischem Verdruss etwas entgegensetzen. Durch die kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Themen (Klima, Migration, Zukunft der Union etc.) kann auch vor dem Hintergrund zunehmender Nationalisierungstendenzen einiger Mitgliedstaaten das europäische Zusammengehörigkeitsgefühl nachhaltig gestärkt werden. In einer globalisierten Welt sollten die großen Themen unserer Zeit auch groß gedacht werden – nicht nur auf lokaler, sondern eben auch auf europäischer Ebene. Dafür braucht es jedoch niedrigschwellige Angebote, zielgruppengerechte Kommunikationskanäle, innovative Formate und flexiblere Formen des Engagements, die auch eine temporäre Einbindung in Projekte zulassen.
Wie es durch eine Neuausrichtung der Partnerschaftsarbeit gelingen kann, junge Menschen für den europäischen Gedanken zu begeistern, haben wir mit Leah Bartsch von der Jugendorganisation YouthHansa Brilon besprochen.
Liebe Leah, du hast 2016 das Team der YouthHansa Brilon mitgegründet. Erklär uns doch bitte kurz was die YouthHansa ist und welche Ideen dahinterstecken?
Die YouthHansa hat sich als Unterorganisation des internationalen Hansebunds der Neuzeit gegründet, einem Netzwerk aus 196 ehemaligen Hansestädten in 16 Ländern. Einmal im Jahr findet ein Internationaler Hansetag in einer der Städte statt, auf dem alle Städte zusammenkommen, sich an Ständen präsentieren und sich in Sitzungen zu den verschiedensten Themen vernetzen können. Dazu gibt es ein YouthHansa-Programm für junge Menschen, die die Städte entsenden können. Auf diese Weise bekommt man die Möglichkeit, auf junge Menschen aus den verschiedensten Städten und Ländern zu treffen und vier unvergessliche Tage in einer Hansestadt zu verbringen.
Brilon war Gastgeberin der 40. Internationalen Hansetage, die im Sommer 2020 Corona-bedingt digital stattgefunden haben. Das Team der YouthHansa war federführend in der Planung des Jugendprogramms zur Veranstaltung und hat sehr viel Zeit und Herzblut in Konzeption und Organisation gesteckt. Was genau hat dich und deine Team-Kolleg:innen motiviert, an einem solchen Städtepartnerschaftstreffen mitzuwirken?
Genau, unser Team wurde ursprünglich ins Leben gerufen, um das YouthHansa-Programm für den Hansetag in Brilon zu planen. Da war die Absage natürlich wirklich ein Schlag; denn zu dem Zeitpunkt der Absage wären wir bereit gewesen, das komplette Programm umzusetzen und es waren viel Zeit und Herzblut in die Planung geflossen. Reizvoll daran, in diesem Team mitzuwirken, war sicherlich die Möglichkeit, an Hansetagen selbst am YouthHansa-Programm teilzunehmen und so einzigartige Erfahrungen mit Jugendlichen aus verschiedensten Ländern zu machen. Außerdem war dieser Hansetag ein einzigartiges Event in Brilon, an dem wir uns gerne beteiligen wollten. Trotzdem muss man natürlich sagen, dass wir uns alle auch schon anderweitig engagiert haben und entsprechend Teil einer gewissen Zielgruppe sind, die sich für so etwas wohl leichter begeistern lässt als manch andere. Vorteil war hier auch, dass ein Team aus allen Altersstrukturen den Hansetag geplant hat und so das Interesse wesentlich größer war, sich zu engagieren im Gegensatz zu den Altersstrukturen, die man oft bei solchen Partnerschaftsprojekten vorfindet.
Wie genau lief der Planungsprozess im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Stadt Brilon ab? Inwieweit wurde euch freie Hand gelassen und was war für euch in der Zusammenarbeit besonders wichtig?
Wir haben uns ab Anfang 2017 regelmäßig getroffen, erstmal weniger mit dem Fokus auf die Hansetage selbst, sondern mehr auf gemeinsame Aktivitäten und ein Kennenlernen der Hanse. Dazu waren wir zusammen auf Einladung eines Bundestagsabgeordneten aus dem HSK in Berlin und auch in der „Königin der Hanse“, der Stadt Lübeck. Unser erster gemeinsamer Hansetag war 2017 in Kampen, in den Niederlanden. Danach haben wir unseren ersten Programmentwurf entwickelt und dazu auch Aktivitäten in Brilon wie Bogenschießen und Golfen ausgetestet. Bei unseren Treffen waren immer Verantwortliche der Stadt Brilon dabei, die uns bei allen Fragen unterstützt haben, uns aber auch genug freie Hand für eigene Ideen gelassen haben. Besonders angenehm war das Verhältnis auf Augenhöhe, durch das wir voll in den gesamten Prozess einbezogen wurden, aber gleichzeitig nie alleine dastanden. Das war eine tolle Lösung der Stadt, um ein ausgereiftes Programm auf die Beine zu stellen, von Jugendlichen für Jugendlichen, aber in dem Rahmen, den die Stadt dafür vorgesehen hatte.
Wie ist es seit den Internationalen Hansetagen 2020 mit der YouthHansa Brilon weitergegangen?
Seit 2020 sind in unserem Team noch vier Jugendliche übriggeblieben. Einige waren schon fast an der Altersgrenze, um aus der YouthHansa auszuscheiden, andere wollten sich jetzt neuen Projekten widmen, was nach vier Jahren Arbeit sicherlich verständlich ist. Darüber hinaus ist das auch eine gute Zahl, um gemeinsam weiterhin an Hansetagen teilnehmen zu können, wo jede Stadt im Durchschnitt eher zwei Jugendliche schickt. Im Rahmen dessen waren wir auch zusammen im letzten Jahr in Neuss und werden in diesem Jahr den Hansetag in Torun, in Polen besuchen. Darüber hinaus bauen wir gerade mit anderen Jugendlichen aus westfälischen Hansestädten eine westfälische Jugendhanse auf. Es geht also weiter mit neuen Projekten. Um die YouthHansa in eine feste Organisation einzubauen, ist gerade geplant, diese in die Partnerschaftsvereinigung in Brilon einzugliedern. So sollen Nachwuchs und eine aktive Weiterarbeit langfristig gesichert werden.
Auch das Thema Nachwuchsgewinnung spielt für das Fortbestehen der YouthHansa und ganz allgemein bei vielen Partnerschaftsvereinigungen eine wichtige Rolle. Habt ihr einen konkreten Plan für die Nachwuchsgewinnung in den kommenden Jahren?
Unser derzeitiges Team wird in den nächsten Jahren die Altersgrenze von 26 für die YouthHansa überschreiten. Daher ist hier auch die Nachwuchsgewinnung essentiell, um die Jugendhanse in Brilon weiterleben zu lassen. Da das aber noch ein bisschen hin ist, haben wir uns noch keine konkreten Gedanken gemacht und man muss auch mal sehen, wie die Stadt Brilon das zukünftig händeln will. Dazu bietet es sich aber sicherlich an Schulen zu nutzen und dort Interessierte zu finden. Möglicherweise kann man auch wieder wie bei uns eine Bewerbung mit einem kreativen Projekt zur Hanse andenken. Mal sehen. Insgesamt ist die Nachwuchsgewinnung bei der YouthHansa sehr individuelle, weil jede Stadt sich selbst darum kümmert und eigenen Methoden hat. Wir selbst nutzen Social Media, um auf uns aufmerksam zu machen. Das ist für Projekte, die junge Leute ansprechen sollen, sicher immer eine gute Variante, um Aufmerksamkeit dort zu erzeugen, wo ein Zeitungsartikel nicht mehr ankommt und eben das Kommunikationsmittel meiner Generation.
Aus der Perspektive der jungen Generation: Welche Tipps kannst du kommunalen Partnerschaften ganz konkret mit an die Hand geben, wenn es darum geht, Jugendliche bzw. junge Menschen auch heutzutage längerfristig für solche Formate zu gewinnen?
Ich habe immer wieder junge Menschen erlebt, die sehr begeistert waren an interkulturellem Austausch über Ländergrenzen hinaus, aber auch innerhalb von Deutschland. Dazu muss man Angebote machen und Jugendliche motivieren teilzunehmen. Dazu ist es immer gut gezielt auf junge Menschen zugehen, die sich schon engagieren und zum Beispiel Jugendorganisationen anzusprechen und an Partnerschaftsprojekten teilhaben zu lassen. Danach werden immer einige noch aktiv dabeibleiben und Spaß an der Partnerschaftsarbeit entwickeln, wenn man sie lässt und Freiräume für eigene Projekte und Beteiligung eröffnet. Darüber hinaus stellt sich eine Multiplikatorwirkung ein und junge Leute holen entsprechend andere junge Leute dazu. Mit spannenden Angeboten kann sich das dann verselbstständigen und man gewinnt immer mehr Jugend für Partnerschaftsprojekte.
Leah, wir bedanken uns ganz herzlich bei dir für deine Zeit und das interessante Interview!